[von Herbert Steinhaus]
Halle, 30. März 2022
Bildung, Verbildung und Beeinflussung der Schüler in der Grundschule
Propaganda, Medienkompetenz, deutsche Sprache
Krieg in der Ukraine, Beteiligung von Russland, Deutschland, Europäische Union, USA
Sehr geehrte Frau Grimm, sehr geehrte Frau Herzberg,
seit ein paar Tagen hängen laminierten Ausmalbilder am Zaun um die Schule, vorgedruckte Friedenstauben. Die Ausmalbilder sind sicherlich von den Grundschülern nach Vorgaben und unter Aufsicht der Schulleitung sowie des gesamten Kollegiums von den Schülern gefertigt und teilweise beschriftet worden. Die Schüler werden bis zu zehn Jahre alt sein. Ihre Eltern haben Sie in Ihre Obhut geben, damit sie humanistische Bildung, gewaltfreie Kommunikation et altera erfahren, Anstands- und Umgangsregeln mit sich, ihren Mitmenschen weit über die Stadt Halle (Saale) hinaus.
Fast alle Schülerzeichnungen sind in den Farben der Ukraine gehalten. Auf einem wohl bewusst unübersehbar an der Eingangstür positioniertem Bild findet sich ein Panzer, ein offenbar bombardiertes Haus, verletzte, leidende Menschen. Dazu der Text: "Putin ist Mies und Dohf".
Ohne Anleitung und Ideen der Lehrer, wohl auch mancher Eltern, werden die Kinder wohl kaum auf diese Gedanken gekommen sein. Dabei mag es sein, dass sie viel von dem Unglück in den Medien mitgekommen. Selbst als Erwachsener kann man sich hierzulande der ständigen Propaganda kaum entziehen. Und wenn das so ist, dann sollten die Probleme vorher mit den Kindern im Sinne eines friedlichen Miteinanders besprochen worden sein. Diese Kinder werden es sein, die gegebenenfalls in den Krieg müssen, wie die Generation meiner Eltern.
Um so wichtiger erscheint es mir zu sein, dass die Kinder vor der massiven Beeinflussung geschützt werden, über das Geschehen in der Welt möglichst objektiv und neutral unterreichtet werden, Medienkompetenz erlernen und bei allem bleiben, was sie sind: Menschen, die noch Kinder sind, meist hilf- und wehrlos dem Treiben der Erwachsehen und der Medien ausgesetzt.
In der Ukraine wie in Russland, überall in der Welt leben Kinder, die meist nichts anderes wollen, als in Frieden mit sich und ihrer Umwelt leben. Bei meinen eigenen Kindern habe ich immer wieder mit Freude gesehen, dass sie nicht nach der Hautfarbe, Herkunft, Sprache et cetera unterscheiden.
Kein einziges Kind in der Schule wird Herrn Putin, Herrn Biden oder Herrn Scholz persönlich kennen, ein eigenes Bild, eigene Erfahrungen mit diesen Menschen haben. Wie nur kann es sein, dass ein Kind formuliert: "Putin ist Mies und Dohf"? Woher kommt die persönliche Abwertung eines Menschen, den niemand von den Kindern, den meisten Lehrern und Eltern je gesehen hat? Herr Putin ist sicher kein Waisenknabe. Aber allein ist er sicher nicht verantwortlich. Und, gibt es nicht auch in der Neumarktschule Kinder mit russisch-stämmigen Eltern? Sie wissen doch auch, dass gerade in letzter Zeit Anfeindungen, Abwertungen und Angriffe gegen Menschen aus Russland erheblich zunehmen. Das heißt, der Hass gegen andere Menschen wird meines Erachtens sogar bewusst und gezielt geschürt. Mein Sohn hat vor kurzem in der Schule das Buch "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" gelesen. Ich habe mich über diese Lektüre in der LATINA gefreut, das Buch gleichzeitig mit ihm gelesen, besprochen. Damals waren Juden das Feindbild, damals das Reichstagsbrandschutzgesetz, heute das Infektionsschutzgesetz. Grundschüler werden kaum das Buch von Dr. Ernst Fraenkel, "Der Doppelstaat" gelesen haben. Doch sollten wenigstens Lehrer dieses Buch wie die Hintergründe kennen, die zum Zweiten Weltkrieg, Millionen Toten und sehr viel Leid geführt haben.
Lernen die Kinder nicht einmal Rechtschreibung?
Welches Zeugnis stellt das alles der Schule, den Lehrern, der Schulleitung aus?
Was ist mit diesem Kind passiert, dass es "Putin ist Mies und Dohf" neben die Friedenstaube schreibt? Unter welchem Einfluss steht dieses Kind? In welcher Welt lebt es? Wer, außer den Eltern trägt für dieses Kind Verantwortung? Wer sind die Lehrer? Was wird diesen Schülern in der Schule gelehrt? Werden die Kinder gar auf den nächsten Krieg vorbereitet?
Unter "Schulsozialarbeit an unserer Schule" lese ich etwas von "Schulerfolg sichern" und dazu Schlagworte wie "Förderung des sozialen Lernens", "Partizipation und Konfliktbewältigung", "Krisenintervention".
Zu meiner Zeit gab es Austausche mit Schülern aus Frankreich, England, unserem ehemaligen Erzfeinden. Als ich das erste Mal in Südfrankreich war und wir nicht verheimlichen konnten, dass wir aus Deutschland kamen, hörte ich von Nachbartisch ein unverhohlen herablassendes "les boche". Ähnlich deutliche Anfeindungen erfuhr ich im Süden Jugoslawiens (als es das noch gab) an der Grenze zu Albanien.
Ich halte es gerade in dieser nach meinem Empfinden kaum zu ertragenden Zeit besonders wichtig, dass die Schüler lernen, dass sie nicht allein auf der Welt sind, dass es auch in der Ukraine, in Russland, überall in der Welt Kinder und anderen Menschen gibt, die nichts anderes wollen, als miteinander friedlich leben.
Ich möchte anregen, das Thema Krieg, Gut und Böse, Propaganda für die Schüler verständlich und im humanistischen Sinne friedlich aufzuarbeiten.
Die Menschen in der Ukraine und in Russland können nichts dafür, dass sie dort auf die Welt gekommen sind, ebenso wenig wie die Menschen hier etwas dafür können, als Deutsche auf der Welt zu sein.
So wie ich selbst keinen Krieg möchte, möchte ich nirgendwo einen solchen. Schon gar nicht möchte ich, dass Kinder in irgendeinen Krieg getrieben werden.
Ich möchte Sie bitte, Ihren Bildungs- und Fürsorgeauftrag entsprechend auszurichten. Da fände ich es eine gute Idee, die Friedenstaube im Sinne von Pablo Picasso bzw. dem Weltfriedenskongress zu verwenden und gerade nicht einseitig mit den Farben der Ukraine oder einem anderen Land zu verbinden.
Frau Katalin Fischer, Herrn Bürgermeister Egbert Geier sowie dem Schulverwaltungsamt sende ich Abschriften mit der höfliche Bitte, das Kriegstreiben, das es ist, die Propaganda zu Lasten der Schüler, Eltern und anderen Menschen zu unterbinden, die Kinder zu lehren, das zu erkennen und sich entsprechend friedenssichernd zu verhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Steinhaus